Die Witwe der vier Künste
Muse und Monster: Paulus Manker huldigt in Alma - A
Show Biz ans Ende der Wiener Femme fatale
Die alte Dame ist nackt bis auf ihre Perlenkette - und mausetot.
Über der hingestreckten Leiche schwebt ein männliches
Viergestirn: Gustav Mahler, Walter Gropius, Oskar Kokoschka
und Franz Werfel. Post coitum - post mortem kommentiert
Paulus Manker das gigantische Plakat von Johannes Grützke,
dass an der Fassade des Kronprinzenpalais prangt. Der Schüler
Kokoschkas hatte eine eher garstige Alma-Huldigung im Sinn,
variiert er doch den Gegensatz von vergänglicher Lust
und unsterblicher Kunst.
Unter den Linden 4. Demnächst werden hier gewaltige
künstlerische Triebkräfte entfesselt. Der Wiener
Schauspieler und Regisseur Paulus Manker kommt mit Alma
- A Show Biz ans Ende nach Berlin, einem wilden Spektakel,
in dem erotische und kreative Energien verschmelzen. Ende
April ist der österreichische Exzentriker mit seinen
Mitarbeitern und containerweise aus Wien herangeschaffem Mobiliar
in das vormalige Gästehaus der DDR eingezogen, dass sich
langsam in ein Alma-Museum verwandelt.
Die Halle bebt: Gerade erklingt das Adagietto aus Mahlers
5. Symphonie - eine Liebeserklärung an Alma. Schon im
Foyer trifft man auf zahlreiche Alma-Huldigungen und -Memorabilien.
Eine Reproduktion von Kokoschkas berühmten Doppelbildnis
zeigt ihn und Alma eng umschlungen. Und auch eine Kopie der
Partitur von Mahlers unvollendeter 10. Symphonie ist zu bestaunen,
an deren Rand der Komponist kritzelte: Für Dich
leben! Für Dich sterben, Almschi! Im Bankettsaal
streichelt Manker liebevoll eine Nachbildung der legendären
Fetischpuppe, die Kokoschka in seinem Liebeswahn anfertigen
liess. Seine Hommage an die berühmte Liebhaberin verzichtet
auf Verklärungen, und spielt dennoch lustvoll mit den
Mythenbildungen.
Wenn ich für eine Weile die Steigbügel dieser
Ritter des Lichts halten durfte, so ist mein Dasein gerechtfertigt
und gesegnet. So lautet einer der letzten Sätze
aus Alma Mahler-Werfels Autobiografie Mein Leben.
Paulus Manker hat freilich einen anderen Ausspruch Almas
in petto: Nichts schmeckt besser als das Sperma eines
Genies. Ein vortreffliches Lebensmotto, und Manker wird
denn auch nicht müde, dieses verbürgte (!) Zitat
zu wiederholen.
Die schöne Wienerin hatte wirklich ein Gespür fürs
Genialische. Sie war mit Gustav Mahler, Walter Gropius und
Franz Werfel verheiratet, hatte leidenschaftliche Affairen
mit Gustav Klimt, Alexander Zemlinksy und Oskar Kokoschka.
Ihr letzter Liebhaber war ein Priester mit dem schönen
Namen Hollnsteiner.
Mit der Rolle der ehrerbietigen Muse gab sie sich nicht zufrieden,
sie war eine Männerfresserin, die letzte femme Fatale.
Und ein Monster! Da beruft sich Manker gern auf Marietta Torberg,
die über ihre Freundin urteilte: Sie war eine große
Dame und gleichzeitig eine Kloake. Das zielt noch nicht
mal auf Almas Antisemitismus, den erst spätere Biografen
enthüllt haben. Eine außergewöhnliche Anziehungskraft
haben ihr aber alle - Freund und Feind - attestiert. Man
kann ja auch als schlechter Charakter ungemein attraktiv sein
- schaun's mich an, lautet Mankers schelmischer Kommentar.
Paulus Manker ist nicht nur ein wandelnder Alma-Almanach,
sondern auch der selbst ernannte Lebensabschnittsgefährte
der berühmten Liebhaberin. Zehn Jahre ist Alma ihm schon
Ansporn und Inspiration. 1996 kam seine Produktion Alma
bei den Wiener Festwochen heraus; in dem Polydrama
(Text: Joshua Sobol) besuchen Alma und ihre illustren Männer
nochmals die Orte ihres ereignisreichen Lebens. Alma
wurde schnell Kult und hat sich mittlerweile zu einem Unternehmen
olympischen Ausmaßes entwickelt. Aufführungen
fanden bislang in einem Sanatorium in Wien, in einem Palazzo
in Venedig, in einem Kloster in Lissabon, in einem Filmpalast
in L.A. und im Barockschloss Petronell statt. Gespielt wird
nur an Orten, wo Alma gelebt und geliebt hat. Berlin hat da
noch gefehlt, denn hier hat sie 1915 ihren zweiten Mann, den
Bauhaus-Architekten Walter Gropius, geehelicht - hier wurde
sie 1920 auch wieder geschieden. In Berlin richtet Manker
seiner Muse nun eine grandiose Geburtstagsfeier aus - zu Almas
127!
Auch Paulus Manker hat einen gewissen Ruf zu verteidigen.Er
wird als großartiger Schauspieler und als Tollkopf verehrt
und gleichzeitig als exzentrisches Arschlochgeschmäht.
Ich habe nicht widersprochen, meint er zu den
Anfeindungen. Wenn die Leute sich vor dir fürchten,
benehmen sie sich besser. Doch man hüte sich, in
ihm nur den Protagonisten einer hoch entwickelten Beleidigungskultur
zu sehen. Ich bin auch als Wiener ein Unikat!
weist einen Manker da streng zurecht. Und schon gar
nicht die Sturmspitze einer Nationalmannschaft des schlechten
Benehmens.
Barfuss und mit wehendem Haar tänzelt Paulus Manker
durch das Kronprinzenpalais. Er ist gleichzeitig Regisseur,
Darsteller, Impresario, Inspizient und vieles mehr. Der Genius
loci, führt er aus, spielt in der Berliner Produktion
eine große Rolle: Alban Bergs Wozzeck, dessen
Drucklegung die Mahler-Witwe gefördert hat, wurde an
der Lindenoper uraufgeführt. Am Bebelplatz fand 1933
die Bücherverbrennung statt, bei der auch Werke Werfels
im Feuer landeten. Kokoschkas Bilder wurden 1919 im Kronprinzenpalais
ausgestellt.
Alma scheint Manker in einer künstlerischen
Dauerrausch zu versetzen. Über das Leben des Skandalweibs
redet er, als wäre es ein offenes Buch. Sie hat
sich nix geschissen, wie man bei uns in Österreich sagt.
Sie hat sich über alle moralischen Schranken hinweggesetzt.
lobt er die geniale Verführerin. Aber bringt er die liebeshungrige
Dame nicht doch in Verruf? Die Einordnung als V.I.P.-Schlampe
stimmt sicher nicht, erwidert Manker. Dass die Witwe
der vier Künste über außergewöhnliche
erotische Erfahrungen verfügte, ja eine ausgewiesene
Männer-Expertin war, ist belegt. Ihr verdankt die Männerwelt
auch wenig schmeichelhafte Erkenntnisse: Je bedeutender
ein Mann, desto kränker seine Sexualität,
notierte sie in ihrem Tagebuch.
Ihre Exzesse kann der Zuschauer hautnah miterleben - Alma
verknüpft Bettschlachten und Künstlerdramen, Liebeswahn
und Schaffensrausch. Alma wird gleich in vielfacher Gestalt
auftreten: jung und alt, göttlich und teuflisch - allesamt
schillernde Projektionen des Weiblichen. Paulus Manker wird
selbst den Oberwildling Kokoschka spielen, der
mit Alma eine Amour fou durchlebte. Der einsame Höhepunkt
ist erreicht, wenn er in seiner Raserei die Alma-Puppe enthauptet.
Die Vereinigung von ekstatischer Schauspiellust und hoher
Liebeskunst - Alma ist pure Verschwendung. Es
wird im Übermaß geliebt und gelitten. Und getafelt.
In der Pause erwartet den Zuschauer ein Gala-Dinner mit österreichischen
Spezialitäten. Ein Leichenschmaus: kredenzt wird es anlässlich
des Begräbnisses von Hofoperndirektor Gustav Mahler.
Für die Berliner Wiederauferstehung von Alma
hat Manker alle Kräfte angespannt. Doch auch so eine
leidenschaftliche Liaison währt nicht ewig. Am Horizont
ist schon ein weiteres Monster aufgetaucht, dem Manker demnächst
einen Theaterabend widmen will: Cosima Wagner.
SANDRA LUZINA
Premiere Fr 21.4., 20 Uhr. Bis 27.5., Do-So.
Tickets 95 Euro (inkl. Speisen und Getränke)
Karten unter 0177/25 62 900
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