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Das Polydrama
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6a DECLARATION OF LOVE
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GUSTAV MAHLER in der Küche, für Hereinkommende unsichtbar, komponiert auf leeren Flaschen in der Speiserkammer. WALTER GROPIUS betritt den Raum.

GROPIUS   (flüstert) Alma! Alma! Alma!! (Mahler stoppt sein Komponieren) Nein, nein, nicht aufhören! Nicht aufhören! Spiel weiter, mein Schatz. Ich wollte dich nicht stören. Aber... ich möchte dir etwas sagen: es gibt Momente im Leben, wo man sich zu entscheiden hat. Wo man ja oder nein sagen muß. Es gibt einen großen Unterschied zwischen uns beiden, dessen bin ich mir wohl bewußt. Du bist nicht frei, du bist verheiratet. Ich nicht. Aber du liebst deinen Mann nicht. Du liebst mich. Wir brauchen darüber gar nicht reden, dein Körper erzählt mir mehr, als Worte dies tun könnten, wann immer du mich berührst. In deiner Hingabe, in deiner grenzenloser Leidenschaft. Da gibt es gar keinen Platz für irgendeinen anderen Menschen . Ich weiß das. Du behauptest, daß du ihn liebst, ich aber sehe nur Mitleid und Fürsorge. Er ist ein kranker Mann, er kann von einen Tag auf den anderen seine Stellung verlieren! Er ist Jude, auch wenn er konvertiert ist. Er hat dir seinen Geist gegeben, aber dein Herz verschlungen. - Alma, mein Leben, meine Liebe, meine Hoffnung. Im Augenblick, als uns die Schwester in Tobelbad miteinander bekannt machte, damals an jenem gesegneten Abend des 4. Juni, ist mein Leben entzweigebrochen, die ersten siebenundzwanzig Jahre meines Lebens, in denen ich dich noch nicht kannte, haben keine Bedeutung mehr für mich. Mit dem Abend des 4. Juni hat für mich eine neue Zeitrechnung begonnen Alma, meine Lieb, mein Leben, meine Seele, ich kann ohne dich nicht leben. Wenn du auch nur die geringste Empfindung für mich hast, mußt du ihn verlassen und... bei mir bleiben. Alma, mein Blut, mein Leben, mein Alles!

MAHLER   (geht zur Gegensprechanlage, klingelt und ruft:) Alma?

ALMA   (über die Gegensprechanlage) Was ist denn, mein Schatz?

MAHLER   (über die Gegensprechanlage) Kommst du bitte herunter? Ich glaube, da möchte dich jemand sprechen!

ALMA   (über die Gegensprechanlage) Ich komme! Ich komme! Nur einen kleinen Augenblick, mein Schatz!! (Sie verläßt das Schlafzimmer und geht über die Dienstbotentreppe in die Küche)

MAHLER   (zu Gropius) Bleiben Sie, bleiben Sie. Sie wird gleich hier sein. Nur einen Augenblick Geduld.

MAHLER und GROPIUS messen einander in tötlichem Schweigen. Alma erscheint.

ALMA   Was ist denn, mein Schatz? Was kann ich für dich tun? Soll ich dir vielleicht einen Kaffee machen... - Walter?...

GROPIUS   Alma... ich... wir waren... ich habe...

MAHLER   Sagen Sie, was Sie zu sagen haben. Sie ist jetzt da.

ALMA   Was soll das? Was ist hier los? Um was geht's denn?Schweigen.

MAHLER   Nun? Wir warten. Hat Sie plötzlich ihr Mut verlassen? (Schweigen) Dann werde ich Ihnen zur Hilfe kommen.... Also... (er wendet sich zu Alma:) Es gibt Momente im Leben, wo man sich zu entscheiden hat. Wo man ja oder nein sagen muß. Es gibt einen großen Unterschied zwischen uns beiden, dessen bin ich mir wohl bewußt. Du bist neunundzwanzig, ich bin fünfzig. Du liebst mich nicht. Wir brauchen darüber gar nicht reden, dein Körper erzählt mir mehr, als Worte dies tun könnten, wann immer wir uns berühren. Dein Körper erzählt mir, was du mir sagen willst, in absoluter Hingabe, in grenzenloser Leidenschaft. Da gibt es keinen Platz für irgendeinen anderen Menschen. Ich weiß das. Ich spüre es. Du behauptest, daß du mich auch liebst, ich aber sehe nur Mitleid und Fürsorge. Ja, du liebst ihn, ich sehe das. Was du für mich empfindest, ist nur Mitleid. Ich bin ein kranker Mann, ich kann von einen Tag auf den anderen meine Stellung verlieren! Ich bin Jude, auch wenn ich konvertiert bin. Alma, meine Liebe, mein Leben, meine Hoffnung. Im Augenblick, als euch die Krankenschwester miteinander bekannt gemacht hat, damals an diesem verflucht gesegneten Abend des 4. Juni, brach sein Leben in zwei Teile, die ersten 27 Jahre des Lebens, in denen er dich noch nicht kannte, haben keine Bedeutung mehr für ihn. Mit dem Abend des 4. Juni hat für ihn eine neue Zeitrechnung angefangen... Alma, meine Lieb, mein Leben, meine Seele, ich kann ohne dich nicht leben. Wenn du auch nur die geringste Empfindung für mich hegst, mußt du ihn verlassen und... bei mir bleiben. Alma, mein Blut, mein Leben, mein Alles! (zu Gropius) Hab ich etwas ausgelassen?

ALMA   Was soll das?

MAHLER   Tja... Das frage ich mich auch - was soll das? Ich würde es selbst gern wissen. Kannst du mir es erklären? - Ich warte.

ALMA   Eine Erklärung... Gut. Eine Erklärung!... Er möchte eine Erklärung hören. Dann werde ich sie ihm geben. - Oh, nein, Walter, bleib da! Du darfst jetzt nicht fortgehen. Du kannst mich doch jetzt nicht alleine lassen! - Gustav, du hast diese Situation herbeigeführt. Du trägst die Verantwortung. Du hast es so gewollt. Du wirst es bekommen.
Ich war noch nicht mal dreiundzwanzig, als wir uns begegneten, er war schon zweiundvierzig. Stell dir vor! Und Direktor der Wiener Hofoper. Was wußte ich schon vom Leben? Was wußte ich von Männern? Nichts. Fast nichts. Meine einzige Quelle an Erfahrung war Alex... «Erfahrung»! Jetzt aber - und das danke ich dir, Walter - weiß ich, daß man das gar keine Erfahrung nennen kann. Wir küßten uns, nun gut. Ja, wir haben uns auch berührt. Unsere Köper waren sehr vertraut, seine Hände sind mir unvergeßlich. Das war alles sehr aufregend für ein unschuldiges Mädchen, wie ich es damals war - bis ich dich traf, Walter. Ja, Gustav! Ich bin seit sieben Jahren deine Frau, ich habe dir zwei Kinder geschenkt, aber ich weiß wirklich nicht, wie ich schwanger geworden bin. Ich bin ein Mädchen geblieben. Ein Mädchen. Ein Mädchen!... Du hast mich nie zu einer Frau gemacht, zu deiner Frau. Niemals! Nie! - Du hast eine Erklärung verlangt, du sollst sie haben!
Als du mir vor sieben Jahren das erste mal deine Liebe gestanden hast, oben in meinem Zimmer und mich um eine Entscheidung batest, wußte ich doch gar nicht, was Liebe bedeutet. Wirkliche Liebe, zwischen Mann und Frau. Zwischen einem wirklichen Mann und einer Frau. Alles was ich erfahren hatte, war Alexander Zemlinskys Virtuosenhände auf meinem nackten Körper. Es war wie eine Etüde. Aber als du mich dann gebeten hast, deine Frau zu werden, brachte mich das in ein großes Dilemma. Ich flüsterte immer: «Mein Geliebter, mein Geliebter!» und der Name, der hinterher kam, war... Alex. Ich fragte mich damals aufrichtig, ob ich dich so lieben könnte, wie du es verdienst.... Würde ich jemals deine Musik verstehen können, und du die meine? Mit Alex war es ein beiderseitiges Verständnis. Er liebte jeden Ton von mir und du sagtest nur: «Das ist ja ernst zu nehmen.» Du wurdest nicht müde, mir zu beteuern, wie sehr du mich liebtest, aber ich fand keine Worte, es zu erwidern. Ich konnte beim besten Willen nicht sagen: «Ich auch.» Es wäre eine Lüge gewesen. Wie konntest du das übersehen? Was hat dich so blind gemacht, das du meinen Zustand nicht gemerkt hast, meine Ablehnung. Ich fragte mich immer und immer wieder: «Liebe ich diesen Menschen?» Und die Antwort war: «Ich weiß es nicht.» Und manchmal war die Antwort einfach «nein». Aber ein «ja» gab es nie
So vieles an dir hat mir irritiert! Dein Geruch... deine Art zu gehen, dein ewiges Summen, die endlosen Spaziergänge, sogar einiges in deiner Art zu sprechen. Ich lag in deinen Armen - und was empfand ich? Sehnsucht nach Alex, jede Minute, jede Sekunde... Ich wußte meine Gefühle zu dir nicht. Liebte ich dich oder liebte ich dich nicht? Und wenn ja, war es nicht der Direktor der Hofoper, der berühmte Dirigent, dem ich mein Herz geschenkt hatte? Oder war es der Mann? Der Komponist war es sicher nicht. Deine Musik ist mir so fern, so unendlich fern... Ich habe nie an dich als Komponisten geglaubt.
Verstehst du jetzt, Walter? Wir haben nie darüber gesprochen, aber das war der Mann, an den ich mein Leben hängen sollte! Ich mochte nicht einmal seine Hände! Jedenfalls nicht so, wie ich Alex's Hände liebte, vergötterte. Und, blöd wie ich war, wünschte ich mir, daß er meine Musik unterstützen würde, meinen Wunsch zu komponieren, meinen Herzenswunsch, wie Alex es getan hat. Und daß er sie lieben würde, wie er - Und was tat er stattdessen? Er quengelte und nörgelte herum: «Schon wieder zwei Tage ohne Nachricht von dir! Warum bekomme ich keine Post? Ich verstehe nicht, warum du das tust, warum das notwendig ist?!» Du verstehst es nicht? Dann werde ich es dir erklären: Weil ich zum erstenmal in meinem Leben erkannt habe, was Liebe zwischen Mann und Frau bedeuten kann. Und zwar wirkliche Liebe! Nicht irgendwelche Briefe oder Gedichte oder Zeichnungen, Tonnen von Papier auf denen die Liebe besungen wird, ohne sie zu kennen! Ohne den Wunsch, sie kennenzulernen! Ohne zu wissen, daß es sie überhaupt gibt!! Ich meine die Liebe, die zwischen lebendigen Menschen stattfindet. Zwischen zwei jungen, schönen, gesunden Körpern!

GROPIUS   Alma, hör auf. Das ist Quälerei!

ALMA   Er wollte es so. Er hat darum gebettelt. Während wir uns in unserer Liebe genossen haben, quältest du mich mit deinen täglichen Telegrammen und Briefen: «Schon wieder drei Tage ohne Nachricht von dir! Gib mir ein Zeichen! Bin sehr besorgt! Bitte Expreß antworten! Verbirgst du mir etwas? Schreibe mir täglich, wenn auch nur eine Korrespondenzkarte.» - Nein! Ich schrieb nicht. Was sollte ich denn schreiben? Das ich trunken war vor Liebe? Daß ich himmlische Nächte verbrachte in den Armen meines Liebhabers und nur die Dämmerung uns zudeckte und die Nachtigallen uns in den Schlaf sangen, in einen wilden, erschöpften Schlummer, der uns zu Boden riß wie ein Donnerschlag? «Kind und Geliebte!» schrieb er. Diese Adressatin gab es gar nicht mehr. Die Briefe hätten zurückgehen müssen. «Almschili, mein Almschibilili, Almschilitzilitzilitzili» Das war keine Anrede mehr für mich, für eine erwachsene Frau, der ihr Liebhaber in zahllos unvergeßlich heißen Stunden «Alma, du meine Alma!» ins Ohr keuchte, wenn er atemlos über ihr lag!

GROPIUS   Alma! Du hast kein Recht...

ALMA   Oh doch. Ich hab jedes Recht der Welt. Wie habe ich mich nach solchen Stunden jahrelang gesehnt. Wie blind warst du in deiner Sucht nach Askese. Grahambrot und Äpfeln! Nach acht Jahren Enthaltsamkeit, die mich vorzeitig zur weltfremden, resignierten, alten Frau gemacht hatten, brannte ich förmlich vor Leidenschaft und Verlangen! Prometheus hat den Menschen nicht das Feuer gebracht, um daran nur Streichhölzer anzuzünden!! Walter gab mir in einer Nacht, was du mir in acht Jahren Ödnis und Langeweile nicht zu geben imstande warst! Du wolltest die Wahrheit hören - jetzt hast du sie gehört!

Mahlers 10. Symphonie explodiert in Fetzen. MAHLER stürzt hinaus.

MAHLER   Erbarmen! Oh, Gott! Oh, Gott! Warum hast du mich verlassen? Eli Eli lama shevaktani? Der Teufel tanzt mit mir... Wahnsinn, faß mich an, Verfluchten! Vernichte mich... daß ich vergesse, daß ich bin! Daß ich aufhöre, zu sein... daß ich verschw - Du allein weißt, was es bedeutet. Ach! Ach! Ach! Leb' wol mein Seitenspiel! Leb wol... Leb wol... Leb wol... Ach wol... Ach, ach. Für dich leben! Für dich sterben! Almschi!

GROPIUS   Lauf ihm nach! Du mußt ihn aufhalten! Du kannst ihn doch so nicht gehen lassen!

ALMA   Laß ihn gehen und wünsch dir, daß er nie mehr zurückkehrt.
Alma 1 und Gropius verlassen die Küche und eilen ober die Dienstbotentreppe ins Quadrat zu Alma 2 und in die Szene „Post Coitus, post mortem“.

ALMA   (beginnt Gropius zu entkleiden:) Oh, Walter! Wann wird die Zeit kommen, wo du nackt an meinem Leib liegst, wo uns nichts trennen kann außer der Schlaf?!!...Ich weiß, daß ich nur für diese Zeit lebe, wenn ich ganz und gar die deine werden kann. Mein Walter...von dir will ich ein Kind, es aufzuziehen, zu hegen und zu pflegen als meine heiligste Pflicht auf dieser Welt. Dein Geist und meinen Körper - unser beider Vollendetes muß einen Halbgott entstehen lassen. Ich möchte dich wieder über mir haben, physisch, in mir! Ich möchte dich so sehen, wie dein Gott - denn nur ein solcher kann so etwas zustande bringen - dich erschaffen hat. Deine ganze Schöne will ich in mich aufnehmen! Ich vergehe vor Sehnsucht nach deinen Umarmungen! Niemals werd ich vergessen, wie deine Hand mein Innerstes berührte wie ein Feuersturm! Welch eine Seligkeit hat mich durchflutet. Man kann also restlos glücklich sein! Es gibt ein vollkommenes Glück! In deinen Armen hab ich es erfahrenl Nur ein kleiner Schritt weiter, und ich wäre im siebten Himmel gewesen! Noch einmal, und du bist ganz mein. Ich möchte vor dir niederknieen und deinen entblößten Leib küssen, alles küssen, alles! Amen. (Gropius wechselt in die Arme von Alma 2)