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Das Polydrama
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5b TO LIVE FOR YOU, FOR YOU TO DIE
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ALMA 2 und BRUNO WALTER (KLIMT) in einem Kurort nahe von Wien.

BRUNO (am Fenster) Alma! Liebste Alma! Was für eine Überraschung!

ALMA   Ah Bruno! Was machst du denn hier? Hat man dich geschickt? Um mir nachzuspionieren?!

BRUNO   Alma, ich bitte dich! – Möchtest du nicht hereinkommen, auf einen Tee? Ich habe eine Überraschung für dich!

ALMA   Was ist das? Was hast du da?

BRUNO   Noten.

ALMA   Wo hast du das her?

BRUNO   Es war in meiner Post. Er hat es mir geschickt. Es ist deine Handschrift, nicht? (Alma nimmt die Noten) Ich dachte, ich bringe sie dir vorbei.

ALMA   Warum?

BRUNO   Die Sachen sind gut. Du hast Talent.

ALMA   Ich hatte! Vielleicht. Vielleicht... Wer kann das jetzt noch sagen?! Man wird es niemals wissen.

BRUNO   Versuch‘s doch wenigstens.

ALMA   Ich will es gar nicht wissen.

BRUNO   Warum nicht? Es wird zurück kommen. Alles. Du bist jung.

ALMA   Ich kann nicht mehr komponieren.

BRUNO   Warum?

ALMA   Es ist tot. Erstickt. Abgetrieben. Damals, ja. Nach unserer Hochzeit wär‘s noch gegangen. Es war schon alles in meinem Kopf und es wollte nur heraus! Ich war voll von Musik, voll mit Melodien. Aber ich habe es unterdrückt. Wie oft mußte ich mich zurückhalten! Zum Klavier zu stürzen, den Deckel hochzureissen und mich in die Tasten zu werfen – schwarz, weiß, schwarz, weiß... Das war grausam, sehr grausam! Es war mein Tod. Ja, ich war wie lebendig tot. Aber ich habe mich mit der Zeit daran gewöhnt.

BRUNO   Du hast dich daran gewöhnt?

ALMA   Erstaunlicherweise. Ja. – Die Kinder kamen, ich wurde schwanger, die Musik war vergessen. Ich weiß nicht, wie mir das passieren konnte... Aber dann kam die Strafe! Putzis Tod... Die Vergeltung... Man wirft nicht weg, was Gott einem gegeben hat... Und nicht genug - Gustavs Herzkrankheit... die Feindschaft in Wien... die Intrigen an der Oper... die Schande, der Schmutz, die Verachtung... Du kennst das ja alles. Man hört es in der Sechsten (spielt auf dem Klavier, stoppt dann) Sie haben ihn bekämpft, bis aufs Messer, sie haben ihn ausgehöhlt... bis wir es satt hatten.. Wir haben kapituliert... Österreich... (lacht bitter) Erinnerst du dich, wie Ihr alle dastandet, am Perron? Uns Lebewohl zu sagen? Das war bitter.

BRUNO   Wieso bitter?

ALMA   Ich dachte: Jetzt kommt ihr? Jetzt? Wo wart ihr, als wir euch gebraucht haben?

BRUNO   Ich weiss. Es tut mir leid. Ich kann dich verstehen. Aber ist es nicht immer zu spät? Was man auch tut, meistens ist es zu spät...

ALMA   Wir wurden ja reich entschädigt... New York, die Metropolitan... das Ansehen, die Ehre, der Erfolg... Die größten Hotels, die schnellsten Eisenbahnen, die herrlichsten Luxusdampfer... Die Zeit ist uns wie im Flug vergangen, immer unterwegs! Wann hätte ich da noch an meine Musik denken sollen? Ich war doch tagaus tagein damit beschäftigt, Gustavs Musik zu kopieren. Hunderte Manuskriptseiten, tausende von Noten... Leider waren es nicht meine eigenen...

BRUNO   Aber er hat Deine Lieder doch verlegen lassen. In New York hat er sie sogar aufgeführt!

ALMA   Da war es zu spät. Ich bin nicht einmal hingegangen. Es wäre doch nur ein Begräbnis erster Klasse gewesen. Und zu Begräbnissen gehe ich nicht, das weißt du doch.

BRUNO   Ich hoffe, du kommst wenigstens zu meinem...
MUSIK: Almas Lied „Hymne“

ALMA   Das ist von MIR!!! – Was blieb mir denn übrig als zu schweigen? Acht Jahre lang Schweigen. Ich mußte ja. Wie kannst du jetzt von mir erwarten, daß ich wieder zu komponieren anfange? Ich weiß doch gar nicht mehr, wie meine Musik klingt! Ich bin sogar schwerhörig geworden in all den Jahren! – Oder war das der Alkohol...?

BRUNO   Ich frage mich was mit mir geschehen wäre, wenn man mir meine Arbeit verboten hätte? Ich glaube, ich wäre verrückt geworden...

ALMA   Wer sagt denn, daß ich das nicht bin?

BRUNO   Wie meinst du das?

ALMA   Na was glaubst du, warum ich hier bin?

BRUNO   Ich dachte du bist zur Erholung hier...

ALMA   Nicht ganz. Man nennt es Therapie.

BRUNO   Oh...

ALMA   Ich bin nicht krank, das Leben, das ich führe, ist es. Lügen macht krank, weißt du? ¬– Als wir letztes Jahr in New York waren, eines Abends, da stand ich am Fenster in unserem Hotelzimmer ... und unten sah ich die Lichter von Manhattan ... Es war Februar ... Und es war kalt. Gustav hat dirigiert an der Metropolitan, und Ich öffnete das Fenster... Und die Luft war schneidend kalt ... fast durchsichtig ... Und ich beobachtete das Leben unter mir. Das so genannte Leben ... in den Straßen... Die Menschen ... und ich hatte keine Freude daran ... an nichts ... ich stand oben und beobachtete... Ich war leer... Ich stand die halbe Nacht am Fenster... Aber hatte ich hatte nicht die Kraft... Die Kraft, einen kleinen Schritt zu tun...

BRUNO   Warum hast du all die Jahre nichts gesagt? Warum hast du nicht mit ihm gesprochen?

ALMA   Wozu? Er hatte seine Bedingung gesagt, ich hatte sie akzeptiert. Und ich habe dafür bezahlt. Ich beklage mich nicht.

BRUNO   Warum?

ALMA   Wenn ich mich für einen Weg entschieden habe, dann gehe ich ihn auch zu Ende. Wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, ist sie unumstößlich.

BRUNO   Das ist unmenschlich!

ALMA   So bin ich.
Wenige wissen
Das Geheimnis der Liebe,
Fühlen Unersättlichkeit
Und ewigen Durst.
Des Abendmahls
Göttliche Bedeutung
Ist den irdischen Sinnen Rätsel;
Aber wer jemals
Von heißen, geliebten Lippen
Atem des Lebens sog,
Wem heilige Glut
In zitternden Wellen das Herz schmolz,
Wem das Auge aufging,
Daß er des Himmels
Unergründliche Tiefe maß,
Wird essen von seinem Leibe
Und trinken von seinem Blute
Ewiglich.

Wer hat des irdischen Leibes
Hohen Sinn erraten?
Wer kann sagen,
Daß er das Blut versteht?
Einst ist alles Leib,
Ein Leib,
In himmlischem Blute
Schwimmt das selige Paar.

O! daß das Weltmeer
Schon errötete,
Und in duftiges Fleisch
Aufquölle der Fels!
Nie endet das süße Mahl,
Nie sättigt die Liebe sich;
Nicht innig, nicht eigen genug
Kann sie haben den Geliebten.
Von immer zärteren Lippen
Verwandelt wird das Genossene
Inniglicher und näher.

Heißere Wollust
Durchbebt die Seele,
Durstiger und hungriger
Wird das Herz:
Und so währet der Liebe Genuß
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Ich hatte eine Stimme, eine zarte, sanfte, zärtliche Stimme... Eine Stimme, die lange schon in mir war... Sie sang über Menschen, die ich liebte... neu erwachende Gefühle... den Schmerz der Trennung... Ich höre diese Stimme, wenn ich voll Trauer war über den Tod. Meines Vaters... Weißt du, es gibt nicht viel anderes, für das es sich lohnt, seine Stimme überhaupt zu erheben. Ich hatte eine Stimme und ich wusste auch, wie man diese Dinge ausdrückt, wie man sie erfühlt, erlebt, erleidet, besingt... - Es wäre meine Pflicht gewesen, diese Stimme zu bewachen, zu beschützen, zu behüten... Und nicht zuzulassen, dass fremde Hände unzärtlich und gemein sie berühren. - Aber ich habe es nicht getan, ich habe es nicht geschafft, ich habe es verabsäumt. Und dann kam ein Mann und sagte, dass er mich liebt. Und ich liebte ihn auch. Aber der Preis war hoch. Ich musste meine Stimme zum Schweigen bringen... – als »Liebesbeweis« – und nur seiner zuzuhören... weil sie angeblich stärker war. Und er bot mir an, für mich zu sprechen... Und ich... statt ihm zu sagen: »Geh’ mir aus dem Weg! Ich will deine Stimme nicht hören, ich habe nichts mit dir gemein!«... habe ich akzeptiert. Ich war einverstanden. Und bis heute ist diese Stimme nicht mehr... ertönt... Sie lebt, aber sie ist lebendig begraben... erstickt... zerbrochen... wahrscheinlich zerstört. In tausend kleine Stücke zersplittert. Es ist wie ein Spiegel, in dem du dich nicht mehr sehen kannst! Vielleicht nie mehr...

BRUNO   Außer du öffnest deinen Mund - und versuchst es. Versuch es...! Aber du darfst dann nicht erschrecken, hörst du? Du darfst nicht erschrecken! Denn ein Schrei der Verzweiflung wird sich vielleicht deiner Kehle entringen, ein Schrei, den man bisher noch nicht gehört hat.

ALMA   Du machst mich krank.

BRUNO   Du bist krank.